KCanG im Realitätscheck: Erste Evaluation 2025

Was das KCanG regelt – und warum es evaluiert wird
Das KCanG erlaubt Erwachsenen den Besitz von bis zu 25 g in der Öffentlichkeit und bis zu 50 g zu Hause, außerdem den privaten Eigenanbau von drei Pflanzen. Der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Anbau in Anbauvereinigungen ist grundsätzlich möglich; der Versandhandel bleibt verboten. Ausdrücklich verankert ist eine Begleitevaluation, die die Wirkungen auf Jugend- und Gesundheitsschutz sowie Kriminalität untersucht. Diese Evaluation läuft seit 1. Januar 2025 und muss bis zum 1. April 2028 abgeschlossen sein. Kurz: Die Reform ist kein „Set and forget“, sondern ein lernendes System – politisch gewollt und gesetzlich festgeschrieben.
So läuft die Evaluation: EKOCAN, Methoden und Datenquellen
EKOCAN ist ein Forschungsverbund unter Leitung des UKE (Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung), mit Partnern u. a. aus Düsseldorf und Tübingen. Das Team verknüpft Routinedaten (z. B. Polizeistatistiken, Register), führt eigene Befragungen bei Konsumierenden, Behörden und Anbauvereinigungen durch und legt Zwischenergebnisse in Berichten vor. Ziel ist, belastbar zu prüfen, ob die im Gesetz angelegten Schutzwirkungen eintreten – und wo nachgesteuert werden sollte. Der rechtliche Auftrag zur Evaluation steht im § 43 KCanG; die Projektlaufzeit reicht bis April 2028.
Zwischenbericht 2025: erste Tendenzen aus der Praxis
Der erste EKOCAN-Zwischenbericht (September 2025) zeichnet ein nüchternes Bild: Es gibt keinen sprunghaften Anstieg des Cannabiskonsums, weder bei Jugendlichen noch bei Erwachsenen; gleichzeitig sanken cannabisbezogene Strafverfahren deutlich. Für 2024 schätzt EKOCAN rund 5,3 Mio. konsumierende Erwachsene; Medizinalcannabis deckte 12–14 % des Gesamtbedarfs, Anbauvereinigungen lagen noch unter 0,1 % – also weit weg von einer breiten legalen Versorgung. Aussagekräftige Effekte auf den Gesundheitsschutz werden vorsichtig bewertet; vieles braucht längere Beobachtungszeiträume. Wichtig: Die Befunde sind vorläufig und werden fortlaufend aktualisiert. idw - Informationsdienst Wissenschaft+1
Kinder- und Jugendschutz im KCanG
Für Minderjährige bleibt Cannabis verboten – beim Zugang gelten Abstands- und Sichtweitenregeln für den öffentlichen Konsum; Behörden kontrollieren Clubs regelmäßig. Daten zu Trends: Laut RKI-Analysen (Journal of Health Monitoring, 3/2025) zeigen sich bis dato keine dramatischen Ausschläge beim Konsum Jugendlicher; Prävention und Aufklärung bleiben zentral. EKOCAN meldet zudem, dass der sinkende Trend im Anteil konsumierender Jugendlicher nicht gebrochen ist, zugleich aber ein Teil der jungen Konsument:innen riskante Muster (nahezu täglicher Konsum) zeigt – ein Fokus für Prävention und Beratung.
Gesundheitsschutz: Qualität, Risiken, Aufklärung
Gesundheitsschutz im KCanG bedeutet u. a. streng geregelte Weitergabe in Clubs, Dokumentations- und Beratungspflichten sowie Qualitätskontrollen (z. B. Testvorgaben für Ernten). Weil die legale Angebotsseite 2024/25 noch klein war, sind harte Aussagen zu Produktqualität und Risikoprofilen erst eingeschränkt möglich. Der EKOCAN-Bericht betont, dass robuste Effekte – etwa auf problematischen Konsum oder cannabisbezogene Gesundheitsbelastungen – erst mit mehr Zeit und Daten sicher beurteilbar sind. Bis dahin gilt: Aufklärung, niedrigschwellige Beratung und Monitoring bleiben die wichtigsten Instrumente.
Verkehrssicherheit: neuer THC-Grenzwert
Seit dem 22. August 2024 gilt ein gesetzlicher THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml im Blutserum (§ 24a StVG). Zusätzlich gibt es ein absolutes Cannabis-Verbot am Steuer für Fahranfänger:innen und unter 21-Jährige sowie ein Alkoholverbot für Cannabiskonsumierende am Steuer – um Mischkonsum zu verhindern. Dieser Grenzwert folgt den Empfehlungen einer Expert:innengruppe und soll in etwa dem Risiko von 0,2 ‰ Alkohol entsprechen. Erste Erfahrungsberichte werden in den kommenden Jahren mit Unfalldaten abgeglichen; EKOCAN bezieht Verkehrsdaten perspektivisch ein. Bis dahin gilt: „Don’t drive high.“
Kriminalität & Justiz: Entlastung, neue Ordnungswidrigkeiten, Schwarzmarkt
Deutlich sichtbar ist der Entlastungseffekt bei Polizei und Justiz: Die Rauschgiftkriminalität sank 2024 um 34,2 %, maßgeblich durch weniger Cannabis-Fälle; die PKS weist bei Cannabis über 100.000 weniger Verfahren als 2023 aus. Gleichzeitig tauchen neue Deliktstatistiken nach KCanG auf (z. B. Clubverstöße), die aber zahlenmäßig weit unter den früheren BtMG-Verfahren liegen. EKOCAN spricht von der „bedeutsamsten Entkriminalisierung“ in der jüngeren Geschichte – zur Schwarzmarkt-Verdrängung fehlen aufgrund der geringen legalen Marktanteile aber noch harte Belege.
Anbauvereinigungen in Zahlen: Wo steht die legale Versorgung?
Ein Jahr nach Start der Club-Regelungen zeigt sich ein Flickenteppich: Genehmigungen kommen in einigen Ländern zügig, in anderen sehr langsam. Im Juli 2025 waren laut dpa-Abfrage rund 293 Clubs zugelassen, mittlerweile sind wir sogar schon bei über 300 Clubs – theoretisch genug für maximal ~146.500 Mitglieder (500 pro Club), praktisch aber noch mit Anlaufproblemen bei Flächen, Auflagen und Laboren. EKOCAN sieht hier einen entscheidenden Hebel: Soll der Schwarzmarkt merklich schrumpfen, brauchen Clubs praxistaugliche Rahmenbedingungen.
Fazit & Ausblick: Gesellschaftliche Bedeutung
Unterm Strich zeigt die frühe Evaluation: Entkriminalisierung wirkt – vor allem, weil viele unnötige Strafverfahren wegfallen und Ressourcen in Prävention, Beratung und Kontrolle der wirklich riskanten Bereiche fließen. Das ist mehr als ein juristischer Effekt. Für Dich als Bürger:in bedeutet es weniger Reibung mit Polizei und Justiz wegen geringer Mengen – und für die Gesellschaft ein Stück Vertrauensaufbau, weil staatliches Handeln stärker am Schutz statt an Strafe ausgerichtet ist. Gleichzeitig verschwindet der Schwarzmarkt nicht von heute auf morgen. Solange legale Angebote noch klein sind, bleibt die Gefahr, dass der Alltag vieler Konsument:innen weiterhin vom illegalen Markt geprägt ist. Hier entscheidet die praktische Umsetzung in den Ländern, ob das Gesetz seine gesellschaftliche Wirkung entfalten kann – fair, einheitlich und ohne neue Hürden für bestimmte Gruppen wie Jugendliche, marginalisierte Menschen oder Personen mit Migrationsgeschichte.
Gesundheitlich steht die Balance aus Eigenverantwortung und Schutz im Mittelpunkt. Weniger Stigma kann dazu führen, dass problematischer Konsum früher erkannt und Hilfe eher angenommen wird – ein Gewinn für Betroffene, Familien und das Gesundheitssystem. Gleichzeitig darf Normalisierung nicht in Verharmlosung kippen: Hohe THC-Gehalte, regelmäßiger Gebrauch in jungen Jahren und Mischkonsum mit Alkohol bleiben Risikofaktoren. Auch im Verkehr und im Arbeitsleben braucht es klare, gut kommunizierte Regeln, die Sicherheit schaffen, ohne Menschen pauschal zu stigmatisieren. Entscheidend wird sein, Präventionsbotschaften so zu gestalten, dass sie Zielgruppen wirklich erreichen – in Schulen, in Vereinen, online und dort, wo Konsum tatsächlich stattfindet.
Ökonomisch und ökologisch eröffnet das KCanG ein kleines, gemeinwohlorientiertes Experiment: Anbauvereinigungen können regionale Wertschöpfung, Qualitätsstandards und Beratung zusammenbringen – vorausgesetzt, Auflagen sind praxistauglich und Laborkapazitäten vorhanden. Gelingt das, stärkt es zivilgesellschaftliche Strukturen statt rein kommerzieller Interessen. Misslingt es, drohen Graubereiche, in denen weder Qualität noch Jugendschutz verlässlich sind. Auch die Umwelt spielt mit: Energieintensive Indoor-Modelle, Transportwege und Verpackungen sollten nicht zum blinden Fleck werden. Wer hier früh Leitplanken setzt (z. B. für nachhaltige Anbaumethoden und transparente Tests), verhindert Folgekosten für alle.
Demokratisch betrachtet ist die Evaluation ein Stresstest für evidenzbasierte Politik. Sie kann zeigen, dass Kurskorrekturen kein Gesichtsverlust sind, sondern Ausdruck von Lernfähigkeit. Transparente Daten, regelmäßige Berichte und Beteiligung der Praxis – von Beratungsstellen über Polizei bis zu Ärzt:innen und Clubs – schaffen Akzeptanz. International wird Deutschland daran gemessen, ob Jugend- und Gesundheitsschutz im Alltag wirklich Vorrang haben. Auch die Debatte um den THC-Grenzwert wird als Lackmustest für evidenzbasierte Anpassungen gelten. Für Dich heißt das: Rechte kennen, Risiken realistisch einschätzen, im Zweifel Beratung nutzen – und Entwicklungen kritisch begleiten. Gelingt dieser Kulturwandel, kann das KCanG mehr sein als ein Cannabis-Gesetz: ein Beispiel dafür, wie wir als Gesellschaft mit Rauschmitteln, Freiheit und Verantwortung erwachsener umgehen.
Quellen
- Bundesministerium für Gesundheit – FAQ Cannabisgesetz(https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html)
- BMG – Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN)(https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/ressortforschung/handlungsfelder/forschungsschwerpunkte/wissenschaftliche-evaluation-konsumcannabisgesetz/ekocan.html)
- UKE/EKOCAN – Projektseite & Projektbeschreibung(https://www.uke.de/english/landingpage/ekocan/index.html)
- UKE/EKOCAN – § 43 KCanG und Laufzeit (Projektbeschreibung)(https://www.uke.de/english/landingpage/ekocan/project-description/index.html)
- idw – Erste Ergebnisse EKOCAN-Zwischenbericht (29.09.2025)(https://nachrichten.idw-online.de/2025/09/29/forschende-legen-erste-ergebnisse-zur-evaluation-des-konsumcannabisgesetzes-vor)
- Bundespressekonferenz (YouTube) – Vorstellung Zwischenbericht(https://www.youtube.com/watch?v=pRpMuZs1qlM)
- RKI – Journal of Health Monitoring 3/2025 (Cannabis use)(https://www.rki.de/EN/News/Publications/Journal-of-Health-Monitoring/GBEDownloadsJ/Focus_en/JHealthMonit_2025_03_Cannabis_use.pdf)
- BMI/BKA – Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 (Bericht/PDF)(https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/BMI25028_pks-2024.pdf)
- BKA – PKS 2024 (Webseite, Kernaussagen)(https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2024/Polizeiliche_Kriminalstatistik_2024/Polizeiliche_Kriminalstatistik_2024_node.html)
- BMDV – Gesetzlicher THC-Grenzwert (3,5 ng/ml) & Fahrregeln(https://www.bmv.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/sechstes-gesetz-zur-aenderung-des-strassenverkehrsgesetzes-verkuendet.html)
- ADAC – Einordnung THC-Grenzwert im Straßenverkehr(https://www.adac.de/news/cannabis-am-steuer/)
- Stern (dpa) – Zahl genehmigter Clubs (Juli 2025)(https://www.stern.de/panorama/so-viele-genehmigte-cannabis-clubs-gibt-es-in-deutschland-35906380.html)
- Pharmazeutische Zeitung – Clubs genehmigt (Juli 2025)(https://www.pharmazeutische-zeitung.de/293-social-clubs-zugelassen-157633/)
- Deutsches Gesundheitsportal – Meldung zum EKOCAN-Zwischenbericht (https://www.deutschesgesundheitsportal.de/2025/09/29/erste-ergebnisse-zur-evaluation-des-konsumcannabisgesetzes-kcang/)