Drei Unternehmen tragen den Cannabisanbau in Deutschland

Aktualisiert am
Veröffentlicht am
31.8.2025
Von
Philip Pranoto
Lesezeit:
4
Min.
In Deutschland steigt der Bedarf nach medizinischem Cannabis seit Jahren an und mit der Legalisierung im letzten Jahr wurde die Nachfrage nur noch weiter befeuert. Damit spielt der legale Anbau hierzulande eine immer größere Rolle. Während Patientinnen und Patienten früher fast ausschließlich auf Importe aus Kanada oder den Niederlanden angewiesen waren, gibt es inzwischen drei Firmen, die Cannabis direkt hierzulande produzieren dürfen. Doch wer steckt eigentlich hinter ihnen – und wie unterscheiden sich ihre Strategien?
Logo von Demecan, Tilray und Aurora vor einer Landschaft

Drei Wege, ein Ziel - diese Unternehmen bauen Cannabis in Deutschland an

Medizinisches Cannabis ist zwar vor allem im letzten Jahr seit der Legalisierung besonders häufig ein Thema bei Patient:innen, Freizeitkonsumenten:innen und Politiker:innen. Dabei vergisst man leicht, dass die Medizin bereits seit 2017 mit einer ärztlichen Bescheinigung hierzulande genutzt werden kann. Damals waren die Hürden dafür noch deutlich höher, als es heutzutage der Fall ist. 

Zu Beginn wurde der Bedarf vor allem mit Importen aus Kanada und den Niederlanden gedeckt. Im selben Jahr hat die Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den staatlich kontrollierten Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland ausgeschrieben. Zwei Jahre später erhielten drei Unternehmen den Zuschlag: Aurora Deutschland GmbH, Aphria RX GmbH (heute Tilray) und Demecan. Höchste Zeit, dass man sie mal genauer unter die Lupe nimmt.

Aurora – Ein Ableger des kanadischen Konzerns

Aurora ist ein weltweit aktives Cannabisunternehmen aus Kanada und gehört zu den Pionieren im internationalen Markt. In Deutschland ist Aurora mit seiner Tochtergesellschaft Aurora Deutschland GmbH vertreten, die ihren Sitz im Biochemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt hat. Dort entstehen nach eigenen Angaben jährlich rund eine Tonne medizinische Cannabisblüten, die nach strengen EU-GMP-Standards produziert werden.

Unter der Marke IndiMed hat Aurora im Januar 2025 die erste lokal produzierte Blütensorte „Island Sweet Skunk“ auf den Markt gebracht – mit etwa 20 % THC und weniger als 1 % CBD. Neben dieser Sorte bietet Aurora ein breites Portfolio aus Blüten, Extrakten und Kapseln an. Dazu gehören Strains wie Cannatonic, Pink Kush oder Tangerine Dream, die unterschiedliche THC- und CBD-Profile abdecken. Diese werden unter den Marken Pedanios und Weeco vertrieben.

Aurora setzt auf medizinische Seriosität. Statt auf Lifestyle oder Freizeitmarkt zu schielen, will das Unternehmen vor allem Ärztinnen, Apotheken und Patientinnen als verlässlicher Pharma-Partner überzeugen. Das wird zum Beispiel auch bei der Pedanios-Marke deutlich, die nach dem griechischen Arzt Pedanios Dioskurides benannt wurde, der die Nutzung von medizinischen Cannabis 100 n. Chr. erstmals dokumentierte.

Tilray / Aphria RX – Cannabissorten mit großer Vielfalt

Das zweite große Unternehmen heißt Tilray – ein internationaler Konzern mit Sitz in New York, der durch die Fusion mit Aphria seine heutige Größe erreicht hat. In Deutschland produziert Tilray über die Aphria RX GmbH im schleswig-holsteinischen Neumünster. Dort wurde nach der Legalisierung die Produktionskapazität gleich verfünffacht. Heute stehen nicht mehr nur drei, sondern über 30 verschiedene Sorten für Patientinnen und Patienten bereit.

Tilray bietet neben klassischen Blüten auch Cannabisextrakte in unterschiedlichen Größen und Stärken an. Darüber hinaus bringt das Unternehmen internationale Marken wie Good Supply, Broken Coast oder Redecan nach Deutschland. Damit ist Tilray aktuell der Anbieter mit der größten Sortenvielfalt im deutschen Markt.

Tilray geht sehr offensiv vor: Das Ziel ist es, den gesamten Markt möglichst breit abzudecken. Mit Vielfalt, Skalierung und einer starken globalen Marke will Tilray nicht nur im medizinischen Bereich führend sein, sondern auch schnell reagieren können, falls verschiedene Länder weltweit ihre politische Haltung gegenüber Cannabis ändern. Das Unternehmen hat auf fünf Kontinenten Niederlassungen und versorgt lokale Labore, Ärzte und Apotheken mit ihren Produkten.

Demecan – „Made in Germany“ beim medizinischen Cannabis

Als drittes Unternehmen steht Demecan in einer besonderen Rolle. Es ist die einzige Firma, die in Deutschland gegründet wurde und hierzulande produziert – ein echtes „Made in Germany“-Label also. Der Standort liegt bei Dresden in Sachsen, wo Demecan eine hochmoderne Indoor-Farm betreibt. Aktuell wird dort rund eine Tonne Cannabis pro Jahr angebaut, die Kapazität kann aber problemlos auf bis zu zehn Tonnen jährlich ausgebaut werden.

Neben den klassischen Cannabisblüten für Apotheken hat Demecan mit Innovationen für Aufsehen gesorgt. Besonders spannend: das GMP-zertifizierte Live Rosin Extrakt „FE 800 No. 1“ – ein solventfreies Premiumprodukt, das aus frischem Pflanzenmaterial gewonnen wird und rund 80 % THC enthält. Damit hat Demecan eine echte Neuheit in den europäischen Markt gebracht.

Demecan setzt stark auf nationale Versorgungssicherheit. Das Unternehmen betont seine Unabhängigkeit von Importen, arbeitet eng mit der Politik zusammen und will langfristig als deutscher Vorzeigeproduzent für Qualität und Sicherheit wahrgenommen werden.

Die Medizin einnehmen, so wie es eigentlich vorgeschrieben ist

Alle für ein Ziel

Auch wenn die drei Firmen sehr unterschiedlich aufgestellt sind – Aurora als seriöser Pharma-Player, Tilray als globaler Marktführer mit Expansionsdrang und Demecan als lokal verwurzeltes Start-up – verfolgen sie im Kern das gleiche Ziel: die zuverlässige Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis in Deutschland.

Mit ihren unterschiedlichen Stärken schaffen sie es gemeinsam, dass der Markt sich weiterentwickelt, mehr Vielfalt entsteht und Deutschland nicht ausschließlich auf Importe angewiesen ist. Für die Patient:innen bedeutet das vor allem eins: mehr Auswahl und bessere Verfügbarkeit.

Trotzdem muss man sich fragen, ob Deutschland besser beraten ist, wenn hierzulande mehr Unternehmen eine Lizenz zum Anbau und Vertrieb von medizinischen Cannabis erhalten. Zwar haben wir bereits drei Unternehmen, die hierzulande produzieren dürfen, womit auch ein gewisser Wettbewerb zwischen ihnen sichergestellt ist. Jedoch handelt es sich bei zwei von ihnen um multinationale Konzerne, die durch ihre globale Präsenz mehr Flexibilität genießen. Sei es sowohl in finanzieller als auch in politischer Hinsicht, weil sie im Falle des politischen Rückzuges eines Landes immer noch andere Stellen auf der Weltkarte haben, die ihre Operationen sicherstellen können. Sollte in Deutschland mal der schlimmste Fall eintreten und ein Rückkehr von der Legalisierung erfolgen (was sehr unwahrscheinlich ist), hätte Demecan als lokales Unternehmen schlechte Karten. 

Weiterer Vorteil von mehr lokalen Unternehmen zum Anbau von medizinischen Cannabis bleibt jedoch die Sicherstellung der eigenen Versorgung. Erst kürzlich hat das BfArM mitgeteilt, dass die Einfuhr von Cannabis im zweiten Quartal des Jahres bereits bei 82 Tonnen liegt. Im gesamten letzten Jahr lag die Menge der Importe bei 83 Tonnen. Vor diesem Hintergrung muss die Politik sich fragen, ob die Begrenzung auf nur drei Unternehmen, von denen nur eines ein lokales ist, dauerhaft nachhaltig ist. 

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